Meine Enttäuschung, dass der Schulzahnarzt immer nur bei den anderen Zahnschäden fand und diese Mitschüler zum ZA gehen "durften", sollte bald ein Ende haben, und meine Neugierde, was beim ZA so alles an Zähnen gemacht wird, sollte nun auch bald befriedigt werden , denn: zwischen meinem 13. und 14. Lebensjahr bekam ich meine erste Amalgam-Plombe. Dass sich mit diesem allerersten Eingriff an einem Zahn mein ganzes Leben verändern sollte, konnte ich damals noch nicht ahnen.
Dr. Beckmann war inzwischen gestorben, und es gab nur noch einen anderen ZA in unserem Dorf. Ich hatte keine Wahl. - Damals war es nicht üblich, zu betäuben , wenn ein Zahn aufgebohrt werden musste. Mein erstes Bohrerlebnis war entsprechend schmerzhaft - und dies ist noch gelinde ausgedrückt. - Die Füllung wurde nicht korrekt gemacht, was ich bereits einen Tag später zur Sprache brachte - aber der ZA wollte das nicht in Ordnung bringen. An seiner Füllung gebe es nichts auszusetzen.
Wie ich zu meinem ersten Loch im Zahn 25 kam, weiß ich inzwischen sehr genau. Und ich weiß auch, dass mein angeborener Instinkt immer absolut richtig war: niemals hatte ich in einen Apfel gebissen, den ein anderer schon angebissen hatte. Niemals hatte ich aus eine Flasche getrunken, aus der bereits ein anderer getrunken hatte. Ich hatte sehr sensibel gespürt, dass nicht gut für mich ist.
Noch 6 Jahre lang ging ich zur halbjährlichen Kontrolluntersuchung und Zahnreinigung - und hörte immer nur "So schöne Zähne, da ist alles in Ordnung". Jedesmal berichtete ich von meinen schlimmen Schmerzen, die sich nicht direkt an diesem Zahn bemerkbar machten, sondern eher in die ganze rechte Körperhälfte ausstrahlten - mit einer anhaltenden Intensität, die meinen Alltag permanent beeinflusste. Selbst wenn ich ganz gezielt auf die Schmerzursache zeigte und sogar demonstrierte, wo die Füllung noch offen war nämlich zwischen Zahnhals und Zahnfleisch und ihm erzählte, dass sich dort Essenreste ansammeln, die selbst durch sorgfältigste Pflege nicht zu entfernen waren und vor sich hin gammelten, schwärmte dieser ZA nur von meinen "schönen Zähnen" und sagte: "Da ist alles in Ordnung". Kritik an seiner Füllung, ließ er nicht zu und schaute auch nicht hin. Dass ein ZA nicht erkennt, dass das Loch so riesig ist, dass man einen Zahnstocher von der Wangenseite (bukkal) bis zur Gaumenseite (palatinal) durchschieben konnte, habe ich nicht verstanden, aber ich traute mich auch nicht, etwas zu sagen. Denn leider hatte ich auch von den Eltern keine Untersützung. Für Sie waren Ärzte und ZÄ die, die das wissen müssen. Für den ZA war ich "überempfindlich", er tat meine Beschwerden als "Einbildung" ab. Meine Mutter schloss sich nur zu gern der Meinung des ZAs an und meinte, ich solle mich "nicht so haben."
All die Jahre war ich schlimmsten Schmerzen ausgesetzt, konnte selbst einen Bleistift nicht halten vor Schmerzen. Unser Hausarzt, natürlich auch ein Halbgott in Weiß, stellte die wundersame Diagnose "Wachstumsschmerzen". Aha. Und damit war für alle "die Sache" erledigt. Das "Kind" muss damit leben, die Schmerzen seien für das "Alter" völlig normal. - An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass dieser Arzt meinen Vater über viele Jahre mit der Diagnose "Rückenbeschwerden" behandelt hatte, anstatt Nierensteinkoliken zu erkennen; und er behandelte meinen Vater noch immer auf "Rückenbeschwerden" , als dieser seinen ersten Herzinfarkt hatte. Ich denke, damit ist schon alles gesagt.